Der alte Dom zu Mainz Der alte Dom zu Mainz
Älteres Fundobjekt sorgt für Überraschung

Skizze eines Mainzer Glockenturms oder doch nur Krickelkrackel?

Aktuelle Profi-Foto-Aufnahmen eines schon vor vier Jahren archivierten Fundobjektes aus dem Westchor von St. Johannis  bringen Überraschendes zum Vorschein. Das zunächst scheinbar nur eingeritzte Krickelkrackel auf dem Schiefertäfelchen erscheint plötzlich in einem ganz anderen Licht. Jonathan Burrows, Fundabteilungsleiter in St. Johannis, entdeckt durch die nachträgliche Umzeichnung des „Gekritzels“ die Skizze eines Glockenturms. 

Bei dem Fund handelt es sich um ein etwa 10,5cm mal 7cm großes Schiefertäfelchen. Es ist wohl kein Dachschiefer, da ihm dafür typische Details fehlen, wie etwa ein Nagelloch. Vielmehr könnte es das Bruchstück einer Schreibtafel sein. Die Ritzlinien auf der Plättchenoberfläche lassen eine Doppelturmfassade erkennen. Die Darstellung scheint jedoch unvollendet: Der linke Turmschaft ist, im Gegensatz zum rechten, kaum ausgearbeitet. Der Schaft des rechten Turmes zeigt durch eingeritzte Striche ein Quadermauerwerk. Rechts des Turmes führt eine Leiter  nach oben. Die beiden Türme sind mit Dächern versehen und weisen einen Glockenstuhl auf, zwischen den Türmen ist eine dritte Glocke angebracht. Die Aufhängung ist überraschend detailreich wiedergegeben. Die Umrisse der Glocken erinnern  an die frühe Bienenkorbform – typisch für romanische Geläute.

Das Schiefertäfelchen stammt spätestens aus dem 14. Jahrhundert. Ist hier eine reale Mainzer Kirche dargestellt – etwa St. Ignaz oder St. Alban? Oder handelt es sich einfach um das geritzte Gekritzel eines Arbeiters, der sich die Zeit in einer Pause vertrieb? Noch muss das offen bleiben, eine Erforschung wäre jedoch spannend. Die Skizze einer früheren Version von St. Johannis selbst dürften die Ritzungen auf dem Schiefertäfelchen jedenfalls nicht sein, denn die dargestellte Doppelturmfassade hat es hier nach heutigen Erkenntnissen sehr wahrscheinlich nicht gegeben.