Der alte Dom zu Mainz Der alte Dom zu Mainz
Das Taufhaus

Hatte St. Johannis ein eigenständiges Baptisterium?

Außerhalb der westlichen Mauer des Westchores kommt beim Abtrag der Erdschichten eine rote Mörtelfläche zum Vorschein, die Fragen aufwirft und etliche, mitunter faszinierende Deutungen ermöglicht.

 

Das Grabungsteam stieß bereits im Herbst 2016 außerhalb des Westchores auf einen Mauerwinkel, von dem weder Funktion noch Datierung geklärt werden konnten. Nachdem auch die südwestliche Ecke und Teile der Westmauer freiliegen, tritt im Sommer 2020 dieser Gebäuderest wieder in den Fokus der Archäologen. Bis ins Frühjahr 2021 finden sich neue und überraschende Details. Nach und nach wird klar: Die Mauern aus mächtigen Spolien stammen wohl von einem öffentlichen Gebäude, errichtet zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert.

Im Innern des Gebäudes ist auf einen älteren Plattenboden (A)  eine Mörtelschicht flächig verstrichen (B). Die Oberfläche zieht sich an der Nordmauer des Gebäudes (1) hoch. Somit muss der Ziegelmörtel (B) ein Innenniveau des Gebäudes sein. Darauf folgt ein nächster fester Mörtelboden von ca. 20 cm Aufbauhöhe (2). Darauf ist eine rote Mörtelfläche (5) mit beigefügten zerstoßenen Ziegeln gegossen, welche dieser Schicht ihre rötliche Farbe verleihen. Es muss sich dabei um den Boden eines Beckens handeln, das in den Boden des Gebäudes eingelassen wurde. Aufgrund des wasserabstoßenden Ziegelmörtels kann man ein Wasserbecken vermuten.

Doch welche Funktion könnte ein Wasserbecken in einem öffentlich genutzten Gebäude gehabt haben?

Eine Möglichkeit wäre die Nutzung als Badeanlage. Es wurden jedoch bislang keine weiteren Elemente gefunden, die diese Interpretation stützen könnten.
Eine andere Funktion des nachträglich eingebauten Beckens wäre auch denkbar: Die Verwendung als Behälter im Zusammenhang mit einem Handwerk. Aber auch hierzu fehlen weitere Elemente, die das belegen könnten, etwa Rückstände von Flüssigkeiten oder benutzten Materialien.
Die dritte Deutung scheint im kirchlichen Kontext die plausibelste: Die vertieft im Raum liegende rote Mörtelfläche könnte der Rest eines Taufbeckenbodens sein. Die Form des Beckens geht aus den geringen Resten nicht mit Sicherheit hervor. Ein viereckiges Becken scheint aber wahrscheinlicher zu sein als die „klassische“ achteckige Form.

 

Für die letzte der drei Möglichkeiten spricht die Datierung des Fundes: Die beschriebenen Reste des vermuteten Wasserbeckens lassen sich etwa in die zweite Hälfte des ersten Jahrtausends datieren.
Sie befinden sich in einem Gebäude, das in Zusammenhang mit der weiter östlich folgenden Großarchitektur steht. Handelt es sich dabei um eine Doppelkirchenanlage, deren Sakralbauten auf einer Achse errichtet waren? – in jener Zeit und in episkopalem Kontext keine Seltenheit. Damals pflegte man selbstständige Taufhäuser mit Taufbecken im Zusammenhang mit Kathedralen zu errichten.

Wenn die Hauptkirche St. Martin war, was barg dann das Gebäude westlich davon? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es als Taufhaus genutzt wurde. Handelt es sich sogar um jenes Taufhaus (Baptisterium), das Bischof Sidonius – Bischof von Mainz um 560 – mithilfe der merowingischen Prinzessin Berthoara errichtet haben soll? Hat er ein bestehendes Gebäude zu einem Taufhaus umgebaut? Oder ein neues erbauen lassen?

 

Fazit: All das sind Hypothesen, welche die weitere Grabung entweder bestätigen oder auch widerlegen kann.

 

Wahrscheinlich wurde das Taufhaus im Laufe des Frühmittelalters bereits wieder aufgegeben und zu einer Nebenkirche umgeweiht. Der Übergang von der Erwachsenen- zur Kindstaufe im Laufe des 6./7. Jh. geschieht gleichzeitig mit der Aufgabe von in den Boden eingelassenen Taufbecken zugunsten von Taufanlagen über dem Boden. In St. Johannis wurde im 7./8. Jh. im Innern des Pfeilerbaus wohl eine Taufanlage mit Sickerkanälen errichtet.

Die umgenutzte Nebenkirche wich um 1000 dem Vorgängerbau des heutigen Westchors, der mit einer Krypta ausgestattet wurde. Um 1380 wurde auch dieser Gebäudeteil abgebrochen und durch den noch heute erhaltenen Westchor ersetzt.